Im Bereich des Verkehres werden beispielsweise die Bewegungsmuster von Bienen- und Vogelschwärmen analysiert, um Konzepte für einen autonomen Autoverkehr, also ohne menschlichen Fahrer, zu entwickeln. Das Verhalten von Herden- und Schwarmtieren dient als Inspirationsquelle für kollisionsfreie Verkehrssysteme. Fische stoßen nicht zusammen, wenn sie im Schwarm unterwegs sind. Diese Tatsache haben sich Fahrzeugentwickler zu Nutze gemacht und Autopilot-Sensorik entwickelt, die wie die Organe von Fischen, die Bewegungen aufspüren, reagieren.
Auch im Bereich der Architektur gibt es zahlreiche Beispiele für Bionik und Biomimikry. Eines davon wäre das Eastgate Center, ein Einkaufs- und Bürozentrum in Harare, Zimbabwe, das 1991 von dem Architekten Mick Pearce entworfen wurde. Pearce wollte Kosten für eine teure Belüftungsanlage sparen, die für große Gebäude dringend notwendig sind. Er wollte ein Gebäude entwickeln, das sich selbst kühlt. Eine Lösung fand er in den bis zu sieben Meter hoch werdenden Termitenbauten. Diese besitzen unzählige kleine Löcher auf ihrer gesamten Oberfläche und können so atmen wie eine Lunge. Im Eastgate Center wurden ebenfalls viele kleine Luftschächte überall im Gebäude verbaut und mehrere große Schornsteine zentral eingebaut, über die wärmere Luft abtransportiert werden kann. Warme Luft steigt natürlicherweise auf, wodurch kalte Luft aus dem unteren Bereich des Gebäudes nachgesaugt wird, was zu einer natürlichen Kühlung des Gebäudes führt. Die Fassade des Centers ist mit einer Art stachligen Struktur versehen, was die Oberfläche der Außenwand stark vergrößert und die Abgabe von Hitze über die äußere Fläche begünstigt. Das Eastgate Center benötigt durch dieses natürliche Belüftungs- und Klimatisierungssystem 35 Prozent weniger Energie als vergleichbare Gebäude.
Integration lebendiger Werkstoffe
Neben dem Grundsatz der Nachahmung biologischer Prozesse, der am häufigsten der Biomimikry und Bionik zugrunde liegt, gibt es auch den Ansatz der Integration lebendiger Werkstoffe. Diesen verfolgen zum Beispiel die Entwickler eines betonähnlichen Baustoffes, der von lebenden Bakterien hergestellt wird.
Beton ist einer der beliebtesten Rohstoffe zum Bauen. Jährlich werden Milliarden Kubikmeter verbaut. Er besteht aus Naturstein, Sand oder Kies und Zement, der mit Wasser das Bindemittel bildet. Der Zement ist jedoch auch das Problem. Bei seiner Produktion entstehen rund acht Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. Zur Herstellung muss Kalkstein gemahlen und bei circa 1400°C gebrannt werden, dabei kommt es zu einer Entsäuerung des Kalksteines und CO2 tritt aus. Zement belastet die Umwelt also durch den hohen Energieaufwand zum Mahlen und Brennen und die Ausgasung von CO2.
Deswegen wollten die Wissenschaftler der University of Colorado, Boulder in den USA eine umweltfreundlichere Variante finden. In dem von ihnen neu entwickelten Baustoff, auch als lebender Beton bezeichnet, agieren Stoffwechselprodukte von Cyanobakterien als das Bindemittel und es ist kein herkömmliche Zementherstellung mehr erforderlich. Um das neue Baumaterial herzustellen werden insgesamt Sand, ein Hydrogel wie Gelatine und lebende Bakterien benötigt. Die Gelatine dient dabei der Versorgung der Bakterien mit Feuchtigkeit und Nährstoffen. Unter den richtigen Bedingungen stoßen die Bakterien Mineralisierungsprozesse an, ähnlich wie bei der Entstehung von Korallenriffen oder Muschelschalen, durch die das Gemenge aus Sand und Gelatine stark verfestigt wird. Der am Ende entstandene Stein weist die gleiche Stärke wie regulärer Beton auf. Bei diesem Herstellungsverfahren wird kaum CO2 produziert, im Gegensatz die Cyanobakterien verbrauchen sogar noch CO2 für ihre Atmung. Wenn man einen auf diese Art hergestellten Stein in zwei Hälften bricht, dann können aus diesen Hälften mit etwas zusätzlichen Material und Nährstoffen zwei neue Steine entstehen. Forscher konnten aus einem Elternstein acht neue Steine herstellen. Bakterien weisen ein exponentielles Wachstum auf, was bedeutet, dass wenn der lebende Beton komplett durch biologisches Wachstum hergestellt werden kann, theoretisch eine Produktion des Baustoffes in exponentiellem Maß möglich ist. Die lebenden Bakterien in den Steinen ermöglichen auch, dass Schäden in der Bausubstanz simpel wieder behoben werden können, Risse im Material können von den Steinen selbst einfach wieder zugewachsen werden.